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Bergen-Belsen Prozess

15 überstellt wurden, bedingte, dass sie vielen Zeugen, die ja häufig ebenfalls erst im Zuge der Auflösung der Konzentrations- und Vernichtungslager im Osten in die Lüneburger Heide depor- tiert worden waren, bereits aus der Zeit vor 1945 bekannt waren. Die Anklageschrift für den Prozess bestand daher aus zwei Punkten: Erstens wurden bis auf einen weiblichen Kapo alle Angeklagten der Verübung von Kriegsverbrechen in Bergen-Belsen beschuldigt, und zwar inso- fern, als sie sich “entgegen ihrer Verantwortung für das Wohlbefinden der dort internierten Per- sonen gemeinschaftlich in Gruppen und entgegen den Gesetzen und Gebräuchen des Krieges zur Misshandlung derselbigen Personen zusammenfanden und dabei den Tod [...] alliierter Staatsbürger verursachten“;23 darüber hinaus wurden zwölf Beschuldigte für in Auschwitz be- gangene Kriegsverbrechen angeklagt. So nahe liegend diese Vorgehensweise den ermittelnden Behörden und der Staatsanwaltschaft erschienen sein mag, sorgte die Koppelung der Verbre- chenskomplexe von Auschwitz und Bergen-Belsen jedoch dafür, dass sich das Verfahren deut- lich verkomplizierte und das Gericht bisweilen den Überblick zu verlieren drohte.24 Auch wenn es von historiographischer Warte aus betrachtet durchaus Sinn macht, auf die gerade in perso- neller Hinsicht enge Verknüpfung der nationalsozialistischen Konzentrationslager hinzuweisen, mag die gemeinsame Verhandlung so unterschiedlicher Verbrechenstypen wie der fabrikmäßi- ge Massenmord durch Gaskammern in Auschwitz und das auf fahrlässiger Vernachlässigung beruhende Massensterben in Bergen-Belsen dazu geführt haben, dass Letzteres seit 1945 im- mer wieder fälschlicherweise zu den Vernichtungslagern gezählt wird. Während insbesondere nicht-britische Zus- chauer und Pressevertreter die Formulierung der Anklageschrift – angesichts der schockie- renden Umstände der zur Verhandlung stehen- den Grausamkeiten – als zu zurückhaltend bzw. verharmlosend kritisierten, 25 erwies sie sich auch juristisch in mehrfacher Hinsicht als an- fechtbar: Die Beschränkung auf Kriegsverbre- chen bedeutete nicht nur, dass – wie erwähnt – eine Vielzahl der in Auschwitz und Bergen- Belsen verübten Morde und Misshandlungen gar nicht erst zur Anklage kam; vielmehr stellte sich die in der Königlichen Verordnung nieder- gelegte Definition von Kriegsverbrechen als so unpräzise heraus, dass zwischen Staatsanwalt- schaft und Verteidigung ein den ganzen Pro- zess andauernder Streit darüber entbrannte, ob die in den Konzentrationslagern begangenen Verbrechen überhaupt als Kriegsverbrechen zu werten seien. Während die Verteidigung argu- mentierte, Konzentrationslager seien schon vor 23 Philipps, Belsen Trial, S. 4. 24 Vgl. Kolb, Bergen-Belsen, S. 182. 25 Vgl. Bower, Blind Eye, S. 198f.

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