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Bergen-Belsen Prozess

21 ferten Gedichten aus der Haft zum Ausdruck kommen. Festzustellen ist, dass keiner der beschuldigten Män- ner und Frauen sich vor Gericht zu seiner bzw. ihrer Schuld bekannte oder Zeichen der Reue erkennen ließ. Charakteristisch für das Verhal- ten der Angeklagten ist eine Mi- schung aus aggressivem Trotz und resignativem Selbstmitleid, versteckt hinter den entpersönlichten Phrasen einer anerzogenen Ideologie: Schlagwörtern wie „Treue“, „Stolz“, „Ordnung“ oder – in perverser Ver- drehung der Umstände – „Opferbe- reitschaft“, an die sie sich bis zum Schluss krampfhaft klammerten. Schon in diesem ersten großen Nachkriegsprozess tauchte die Behauptung eines Befehlsnotstands als Entschuldungsgrund auf, wie es dann in nahezu allen nachfolgenden Verfahren zu NS-Verbrechen der Fall war37 . Von der Verteidigung als juristisches Argument verwendet,38 das bereits auf die in späteren Nachkriegsprozessen ge- führte Debatte um den „Täterwillen“ und die Unterscheidung zwischen Mord und Beihilfe zum Mord verweist,39 mag die Behauptung, nur auf Befehl gehandelt zu haben, den Angeklagten des Lüneburger Verfahrens individuell die Möglichkeit geboten haben, eventuell aufkommendes Unrechtsbewusstsein mithilfe derselben Mechanismen zu unterdrücken, die bereits zur Tatzeit wirksam waren, nämlich die Rolle der persönlichen Gewissensinstanz an eine äußere Autorität zu übertragen.40 Am 17. November 1945 verkündete das Gericht seine Urteile: Elf Angeklagte, darunter Kramer, Klein, Hoessler und Grese, wurden zum Tode verurteilt, neunzehn erhielten Freiheitsstrafen, vierzehn wurden freigesprochen. Die zum Tode verurteilten acht Männer und drei Frauen ge- hörten alle der SS bzw. dem SS-Gefolge an; unter den zu Haftstrafen verurteilten Personen be- fanden sich acht ehemalige Funktionshäftlinge. Die Todesurteile wurden von Field-Marshal Montgomery als Oberkommandierendem der britischen Streitkräfte bestätigt und am 12. De- zember 1945 im Zuchthaus Hameln durch Erhängen vollstreckt. 37 Vgl. u.a. Herbert Jäger, Verbrechen unter totalitärer Herrschaft. Studien zur nationalsozialistischen Gewaltkrimi- nalität, Olten u.a. 1967, S. 83ff. 38 Winwood bezeichnete seinen Mandanten Kramer als „scapegoat of Belsen“ [Sündenbock von Belsen]; zitiert nach News Chronicle, Ausgabe vom 19.10.1945. 39 Vgl. Ruth Bettina Birn, Die Strafverfolgung nationalsozialistischer Verbrechen, in: Hans-Erich Volkmann (Hg.), Ende des Dritten Reiches – Ende des Zweiten Weltkriegs. Eine perspektivische Rückschau, München u.a. 1995, S. 393-418, hier S. 409f. 40 Vgl. Horst-Eberhard Richter, Mörder aus Ordnungssinn, in: Die Zeit Nr.29, Ausgabe vom 19.07.1963. Überlebende Frauen bergen getötete KZ-Häftlinge

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