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Bergen-Belsen Prozess

27 vor Kriegsende vorherrschenden Widerwillen der zuständigen britischen Behörden gegen die Durchführung von Strafverfahren neue Nahrung gegeben.61 Angesichts der gewaltigen Zahl an Tatkomplexen und -verdächtigen wuchsen die Befürchtungen, dass sich die Prozesse gegen Kriegsverbrecher über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinziehen würden.62 Hier zeigt sich, dass die Beschränkung der militärgerichtlichen Kompetenz auf „war crimes“ nicht nur rechtlichen, sondern auch praktischen Erwägungen entsprang. Diese Regelung erlaubte es einerseits, die eigenen Interessen zu wahren, da es sich bei den meisten Briten, die Opfer des Naziregimes geworden waren, um Soldaten handelte, deren Ermordung oder Misshandlung den Tatbestand des Kriegsverbrechens nach bestehendem Internationalen Recht eindeutig erfüllte. Anderer- seits glaubte man, durch den Verzicht auf die Anwendung der neu entwickelten Straftatbestän- de des „Verbrechens gegen die Menschlichkeit“ bzw. des „Verbrechens gegen den Frieden“ ei- ner unerwünschten Prozessflut entgehen zu können. Auch wenn sich Premierminister Clement Attlee und Außenminister Ernest Bevin ge- gen die terminliche Festlegung eines Straf- verfolgungsstops aussprachen,63 war man in den zuständigen Ministerien und Behörden zuversichtlich, die Verfahren gegen NS- Kriegsverbrecher noch im Laufe des Jahres 1946 zum Abschluss zu bringen.64 Ein sol- ches Bestreben mag auch dadurch motiviert gewesen sein, dass in London spätestens seit der Potsdamer Konferenz die Erkenntnis dämmerte, der zukünftige Feind werde nicht Nationalsozialismus, sondern Kommu- nismus heißen und eine allzu rigide Strafver- folgungspraxis könne sich als politisch un- klug erweisen.65 Die größte Enttäuschung über Verlauf und Ausgang des ersten Belsen-Prozesses emp- fanden wohl diejenigen, die von den Verbre- chen unmittelbar betroffen gewesen waren. So bezeichnete Anita Lasker-Wallfisch, die zusammen mit ihrer Schwester Auschwitz und Bergen-Belsen überlebt hatte und im Prozess als Zeugin der Anklage auftrat, das Verfahren noch Jahrzehnte nach Kriegsende 61 Aufgrund der Zersplitterung der formellen Zuständigkeit dauerte es etwa zwei Monate, bis alle prozessrelevanten Unterlagen den Instanzenweg durchlaufen hatten. 62 Ende 1945 gingen die britischen Behörden von bis zu 20.000 potentiellen Straftätern aus; vgl. Priscilla Dale Jo- nes, Nazi atrocities against Allied airmen. Stalag Luft III and the end of British war crimes trials, in: Historical Jour- nal 41 (1998), S. 548. 63 Vgl. ebd. 64 Tatsächlich fand erst Ende 1949 mit dem Prozeß gegen General Erich von Manstein das letzte Verfahren vor einem britischen Militärgericht statt. 65 Vgl. Anthony Glees, The Making of British Policy on War Crimes. History as Politics in the UK, in: Contemporary European History 1 (1992), S. 171-197, hier S. 186. Überlebender sucht nach Kleidungsstücken

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