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Bergen-Belsen Prozess

36 wurde. Die Antifaschisten/-innen aber wollten trotz Verbots der ermordeten KZ-Häftlinge gedenken und sie trafen sich zum angekündigten Zeitpunkt im Tiergarten. Nun geschah das Unvorstellbare: Die Lüneburger Polizei löste die Versammlung auf und als die Anwesenden das Areal nicht verlassen wollten, fuhr eine Staffel knüppelnder Po- lizisten zu Pferde in die Menge und jagte die Versammelten, viele von ihnen selber frühere KZ-Häftlinge, durch den Tiergartenwald. Für die Stadt Lüneburg war diese Schandtat – bis heute – kein Anlass für eine Entschuldigung. Für die gejagten Antifaschisten/-innen aber (wegen des „Widerstandes gegen die Staatsgewalt“) ein „Verbrechen“, was schließlich im Verbund mit ähnlichen „Schandtaten“ zur Aberkennung ihrer NS-Opferrente führte und zum schließ- lichen Verbot der VVN in Niedersachsen, sowie für den Mitreisenden Franz Holländer zu einem Gefängnisauf- enthalt in Hannover. Er hatte weder jemandem Gewalt angetan, noch silberne Löffel geklaut oder sonstwas Böses getan, sondern war lediglich als KZ-Häftling Antifaschist geblieben. Diese etwa einstündige Fahrt nach Bergen-Belsen mit vielen weiteren Geschichten ist für mich ein unvergessenes und beispielhaftes Lehrstück in Sachen deutscher Geschichte. Kaum einmal später habe ich einmal derart kom- pakt und authentisch die Lüneburger Geschichte des Faschismus und Antifaschismus erzählt bekommen wie bei dieser Reise. Ich nahm mir vor, später einmal diese Geschichten aufzuschreiben. Nun also Bergen-Belsen: Ich erinnerte mich bei unserer Ankunft daran, wann und wie ich den Namen dieser Ortschaft zum ersten male ge- hört habe: In den USA. Als junger Mann unternahm ich eine ausgedehnte private Reise durch die Vereinigten Staaten und schloss mich in Florida am Strand von Miami für einige Stunden einer Jugendgruppe an, die dort den sonnigen Tag genoss. Im lockeren Gespräch über das Woher und Wohin wurde ich nach meinem Wohnort in Deutschland gefragt und da ich annahm, dass man meine Geburtsstadt Lübeck wohl nicht kennen würde, nannte ich sie zwar, aber schob ein „nearly Lüneburger Heide“ nach in der Hoffnung, dass diese Landschaft auch in Ame- rika neben Heidelberg und anderen Orten wohl bekannt sei. Zu meiner Überraschung wurde ich nun nach einem Ort in eben dieser Lüneburger Heide befragt, der mir völlig unbekannt war: Bergen-Belsen. Die Verwunderung meiner Gesprächspartner über mein Unwissen konnte ich nicht verstehen. Was sollte an diesem mir unbekannten kleinen Heidedorf schon besonderes dran sein? Die Jugendlichen klärten mich auf, benannten das Konzentrations- lager und erzählten mir eigene Familiengeschichten, in denen Bergen-Belsen als Ort des Leidens und auch Todes einiger ihrer Verwandten eine zentrale Bedeutung hatte. Ich bemerkte, dass ich in eine jüdische Jugendgruppe ge- raten war und musste etwas beschämt feststellen, dass ich erst in die ferne USA reisen musste, um über das KZ in meiner Nachbarschaft informiert zu werden. Bergen-Belsen - dieser Ort kam während meiner Schulzeit im Unter- richtsplan nicht vor. Nun also Bergen-Belsen: Uns empfing, für mich völlig überraschend, ein gewaltiger Geschützdonner, ein ohrenbetäubender Lärm, der in kur- zen Abständen über die Anlage fegte und eine Unterhal- tung wesentlich einschränkte. Für mich war diese Situation unfassbar: Der Gedenkort für die Opfer des Faschismus, dieser Ort, an dem zu Zehntausenden gestorben wurde im Ergebnis des faschistischen Rassenwahns und Krieges war eingerahmt von militärischem Sperrgebiet und man übte selbst hier bereits wieder für den nächsten Krieg. Ein Besuch des nahegelegenen Friedhofs der sowjetischen Kriegsgefangenen war uns nicht möglich, weil dieser be- reits wieder im militärischen Sperrgebiet lag. Nun also Bergen-Belsen: Uns empfing, ebenfalls völlig überraschend, kein Ort der Trauer, des Gedenkens, der Information und Aufklärung, sondern ein riesengroßes Heideareal, welches an schwülstig-heimatliche Hermann-Löns-Bilder und –geschichten erinnerte, eine weitläufige Parklandschaft mit Birken, Fichten, Erikakraut. Manch ein deutscher Kurort wäre sicher stolz darauf gewesen, einen solchen Park sein Eigen zu nennen – aber eine KZ-Gedenkstätte als Spazierpark für sonntägliche Familienausflüge? Kein Besucherdienst, keine offiziellen Führungen, keine Filme, die gezeigt wurden Bergen-Belsen 1981

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