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Bergen-Belsen Prozess

29 solchen Behandlung resultierenden Verbitterung mag man ermessen, wenn man sich verge- genwärtigt, dass Überlebende des Holocaust ihre Zeugenschaft in der Regel nicht nur als juris- tischen Vorgang, sondern vor allem als Erfüllung einer moralischen Verpflichtung gegenüber den Toten empfinden. Es sei der Lüneburger Prozess gewesen, so Anita Lasker-Wallfisch, der ihr zum ersten Mal deutlich gemacht habe, dass sich konventionelles Recht nicht auf Ereignisse anwenden lasse, die so außerhalb jedes Gesetzes stünden, und dass mithin die „normale“ Welt niemals das erfassen werde, was zu diesem Verfahren geführt habe.70 Obwohl die verhängten Todesurteile von den Opfern allgemein mit Genugtuung aufgenommen wurden, überwogen letztlich Trauer und Wut. „Wurden sie zu Recht verurteilt?“, fragt beispielsweise Arne Moi, ein norwegischer Überlebender von Sachsenhausen und Bergen-Belsen, mit Blick auf Kramer, Grese und Co. und gibt selbst die resignative Antwort: „Tja, darüber wissen wir nichts. Das Ge- richt tat sein Bestes angesichts der unzulänglichen Voraussetzungen, die ein Gericht in einer solchen Sache vorfindet. Kein Gericht der Welt könnte zur Ganzheit der Verbrechen Stellung nehmen, und selbst dieses musste auf Grund von Einzelanklagen, die sich auf Details bezogen, seine Urteile fällen. Uns, die wir die Prozessberichte lesen, erscheint das Ganze ziemlich un- wirklich – was zum Teufel schert es uns, ob ein Kapo gerade diesen Gefangenen bei dieser be- stimmten Gelegenheit geschlagen oder nicht geschlagen hat? [...] Einige wenige folgten ihren zahllosen Opfern. Ein Stück Gerechtigkeit, sofern es hierbei Gerechtigkeit geben kann.“71 Mein Bergen-Belsen Was hab ich dir angetan O, mein Bergen-Belsen? Meine Tränen sind vertan, O, mein Bergen-Belsen… Der verdammte Tod will mich, O, mein Bergen-Belsen… Töte mich und zögere nicht! O, mein Bergen-Belsen… Überm Zelt der Sonnenschein- O, mein Bergen-Belsen… Ich verend in Fieberpein… O, mein Bergen-Belsen… Überm Zelt das Himmelslicht, O, mein Bergen-Belsen… Mehr, mehr brauche ich wohl nicht- O, mein Bergen-Belsen. 70 Lasker-Wallfisch, Wahrheit, S. 198. 71 Arne Moi, Das Lager. Ein Norweger in Bergen-Belsen, Göttingen 2002, S. 48. „Nach einem Zeitzeugenbe- richt war der Autor dieses Gedichts ein polnischer Priester aus Podhale in Süd- polen. Er schrieb es im März 1945, als er noch schwer krank nach dem überstande- nen Typhus war. Die Zeilen wurden später von den Mit- bewohnern seiner Baracke …als eine Art Bergen- Belsen-Hymne gesungen. Nach Zeitzeugenberichten wurde das Lied in den 1970er Jahren vom Polni- schen Rundfunk Warschau als „Bergen-Belsen- Hymne“ gesendet, gesungen von Aleksander Kulisie- wicz…“

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