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Bergen-Belsen Prozess

30 Berichte von Bergen-Belsen-Häftlingen Renata Laqueur: Bereits im Februar 1943 wurde Renata Laquer, Tochter eines Amsterdamer Hochschullehrers, verhaftet und in das KZ Vught verschleppt, musste aber wie- der freigelassen werden. Im November 1943 wurde sie erneut verhaftet, ge- meinsam mit Ehemann Paul, und über Westerbork nach Bergen-Belsen ver- bracht. Dort begann sie, ein Tagebuch zu schreiben, welches sie nach ihrer Be- freiung vervollständigte. „Tagelang saß ein kleines Mädchen am Bett seiner Mutter. Die Klei- ne war scheußlich verschmutzt, die Kleider zerrissen, die Haare ver- laust, die Augen durch Nissen verklebt, ihre Beine durch Ödeme aufgeschwemmt. Doch sie saß dort, zwang die Todkranke, lauwar- me Steckrübenstückchen zu essen, bis sie plötzlich mit einem gieri- gen, aber schuldvollen Blick die Bissen selbst hinunterschlang. Die Mutter hatte die Decken beiseite geschoben, sie drückten zu sehr auf die aufgequollenen Beine. Wie weiße, glasige Säulen lagen sie auf der grauen Decke, auf der es vor Läusen wimmelte. Das um den Kopf geschlungene Tuch war herabgeglitten und ließ die kurzge- schorenen, verklebten Haare erkennen. Das Kind weinte und ging fort, um etwas Essbares zu besorgen. „Mutter“, sagte sie im Fortge- hen, „Mutter, ich suche etwas Mehlsuppe für dich.“ Die Frau, früher eine bekannte Schönheit des Amsterdamer Judenviertels, antwortete nicht. Ihre kleine, dicke Hand hing aus dem hölzernen Bettkasten, Wasser tropfte aus den aufgequollenen Fingern und bildete nasse Flecken auf der Erde. Als das Mädchen zurückkam, war die Mutter tot. Wie versteinert saß die Kleine lange Zeit auf dem Bett. Schließlich breitete sie die Decke über die Tote und rückte das Kopftuch zurecht. In der Hand den roten Becher mit Mehlsuppe, ging sie fort. Jetzt war sie allein. Der Vater war an Lagerfieber gestorben.“ Hanna Levy-Hass: Bis zur ihrer Verhaftung durch die Gestapo im Februar 1944 beteiligte sich Hanna Levy-Hass am Widerstand der jugoslawischen Partisanen gegen die faschistischen Truppen. Nach einem halben Jahr im Gefängnis wurde sie nach Bergen-Belsen deportiert und führte dort heimlich von August 1944 bis April 1945 ein Tagebuch. „B. B. April 1945. Ich schäme mich schrecklich, alles das zu erleben. Die Men- schen verfaulen und zersetzen sich im Schmutz. Man erzählt, dass in einem der benachbarten Blocks Fälle von Kannibalismus beobachtet worden seien. Nach der persönlichen Erklärung eines deutschen Arztes, der endlich in unseren Block kam, um sich über den „Fortschritt“ des Massentodes klar zu werden, nach seiner eigenen Erklärung also sind im Laufe der letzten zwei Monate, Februar und März, von 45000 Häftlingen mehr als 17000 im Monat, also insgesamt 35000 gestorben. Wenn es sich nur um einen einfachen, menschlichen Tod handeln würde…Nein, ich will so nicht sterben, ich nicht! Was denn, soll man zulassen, dass Körper und Seele sich zersetzen und sich mit ihrem eigenen Abfall vermischen, langsam, aber unwiderruflich durch die totale Erschöpfung verschwinden, ins Nichts untertauchen, verschlungen von Eiter, Gestank und alle Phasen des Krepierens durchlaufend? Denn so ist es ja, hier stirbt man nicht, man krepiert buchstäblich. Warum warten? Das heißt doch, die Menschenwürde mit Füßen treten. Welche Schande, welche ungeheure Schande. Ich betrachte diese düstere Baracke von Gespenstern, von Entwürdigung und Hass, diese unbeweglichen, völlig hilfslosen Kranken, diese lebenden, bereits faulenden Leichname, ein schwarzer Schlund, in dem eine ganze Menschheit versinkt. Nein, solange mein Hirn noch imstande ist, normal zu arbeiten, werde ich nicht zulassen, dass mein Ende so aussieht. Es ist die Pflicht des Menschen, als Mensch zu sterben, ein Ende zu vermeiden, das schlimmer ist als alle Tode, einen Tod, der keiner ist…

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