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Bergen-Belsen Prozess

18 der Staatsanwaltschaft, um das Verhalten und den Charak- ter der Angeklagten als Art kol- lektives Verbrechertum zu- sammenzufassen, ohne im Ein- zelfall danach fragen zu müs- sen, ob bzw. wie Verhalten des Personals durch soziale Hinter- gründe oder individuell- psychologische Faktoren moti- viert gewesen sein könnte. Ne- ben den Angeklagten wurde der Verteidigung die größte Aufmerksamkeit der Zeitgenos- sen zuteil. Sie setzte sich aus zwölf Offizieren zusammen (elf britischen und einem polni- schen), die alle über eine juris- tische Universitätsausbildung verfügten und von denen jeder zwei oder mehr Angeklagte vor Gericht vertrat. Während des Verfahrens wurde auf Antrag der Verteidigung Prof. H.A. Smith als Sachverständiger für Inter- nationales Recht zum Prozess zugelassen. Er beriet die Verteidiger in Verfahrensfragen und stellte darüber hinaus in einer längeren, theoretischen Ausführung die Zulässigkeit mehrerer Anklagepunkte in Frage, ohne sich jedoch damit vor Gericht durchzusetzen. Insgesamt wählte die Verteidigung eine Strategie, die bei vielen Prozessbeobachtern den Eindruck hinterließ, sie wolle die Verbrechen verharmlosen und obendrein die Opfer verhöhnen. Nach geltendem deut- schen Recht, so die Argumentationslinie, seien die Konzentrationslager legale Gefängnisse gewesen, und das Verhalten der Angeklagten unterscheide sich qualitativ nicht vom Habitus des Vollzugspersonals in anderen Ländern, welches ebenfalls mit Stöcken und Knüppeln schlage, wenn die Situation es erfordere. Außerdem seien die den Beschuldigten zur Last ge- legten Prügel nicht etwa unnötig oder gar grausam gewesen, sondern hätten nur der besonde- ren Bewachungssituation entsprochen. Schließlich sei eine einzelne Aufsicht bisweilen für meh- rere hundert Häftlinge verantwortlich gewesen, bei denen es sich darüber hinaus, so Major T.C.M. Winwood, Verteidiger von Kramer, um „the dregs of the ghettos of Eastern and Central Europe“ [den Abschaum der Ghettos von Ost- und Mitteleuropa]31 gehandelt habe. Wenn Zeu- gen einen Angeklagten individueller Straftaten beschuldigten, wurde ihnen von der Verteidigung Übertreibung oder sogar Lüge vorgeworfen, verpackt als Suggestivfrage: „I suggest that your account here to-day is exaggerated and untrue [...] and that you are a thoroughly unreliable wit- ness?“32 Insbesondere Winwoods Äußerung löste einen internationalen Sturm der Entrüstung 31 Zitiert nach Daily Herald, Ausgabe vom 09.10.1945. 32 „Gehe ich recht in der Annahme, dass Ihre hier und heute vorgebrachte Darstellung übertrieben und unwahr ist [...] und dass Sie ein durch und durch unglaubwürdiger Zeuge sind?“; Major L.S.W. Cranfield, u.a. Verteidiger von Irma Grese; zitiert nach Philipps, Belsen Trial, S. 82. Bergen-Belsen, 17. April 1945

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