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Bergen-Belsen Prozess

20 Mit Blick auf die sich dabei herausbildenden Typisierun- gen bzw. Dämonisierungen ist auch eine geschlechtsspe- zifische Betrachtungsweise von Interesse, zeigen sich doch in der Behandlung bzw. Darstellung der angeklagten Männer und Frauen durch Gericht, Zeugen und Zuschauer signifikante Unterschiede, die auf erhebliche Schwierigkei- ten der Zeitgenossen hindeuten, die in den Verhandlun- gen offenbarten Gewaltexzesse mit einem traditionellen Frauenbild in Einklang zu bringen, das Weiblichkeit mit Sanftmut und Reinheit gleichsetzte.35 Während der Mehr- zahl der angeklagten SS-Aufseherinnen kurzerhand die fraulichen Attribute aberkannt und sie in den Berichten zu „Mannweibern“ stilisiert wurden, sorgte der Fall der als sehr attraktiv wahrgenommenen Irma Grese36 für erhebli- che Irritationen, da die ihr nachgewiesenen Verbrechen die gängige Vorstellung demontierten, der weibliche Cha- rakter sei von der äußerlichen Erscheinung ableitbar und Schönheit daher mit Grausamkeit unvereinbar. So wagten es die wenigsten Berichterstatter, Greses persönlichen Lebensweg nachzuvollziehen und nach sozialen oder psychologischen Erklärungen zu fragen; vielmehr griffen sie bei ihren Darstellungen auf traditionelle, meist literari sche Stereotype zurück (Circe, Salome, La Belle Dame sans Merci), welche die ehemalige Auf- seherin zunehmend entindividualisierten und schließlich zur Personifikation des Sadistisch- Bösen schlechthin werden ließen. In diesem Zusammenhang stellt sich natür- lich auch die Frage nach dem Rechts- oder Unrechtsbewusstsein der Täter. Um über- haupt so etwas wie eine Annäherung an die Befindlichkeit der Angeklagten zu erreichen, müsste man ihre unterschiedlichen Strate- gien der Verdeckung, des Ausblendens und des Leugnens in den Blick nehmen, wie sie in den diversen Verhören und Aussagen vor Gericht sowie in Einzelfällen auch in privaten Briefen an Verwandte bzw. überlie 35 Vgl. ebd. S. 257f. sowie Anette Kretzer, „His or her special job“. Die Repräsentation von NS-Verbrecherinnen im ersten Hamburger Ravensbrück-Prozess und im westdeutschen Täterschafts-Diskurs, in: Beiträge zur Geschichte der nationalsozialistischen Verfolgung in Norddeutschland, Bd. 7: Entgrenzte Gewalt. Täterinnen und Täter im Na- tionalsozialismus, Bremen 2002, S. 134-150. 36 Zu Greses Person und Lebensweg vgl. Daniel Patrick Brown, The beautiful beast. The life and crimes of SS- Aufseherin Irma Grese, Ventura 1996. SS-Aufseherin Irma Grese KZ-Kommandant Josef Kramer

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