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Landrat Albrecht

_____________________________________________________________________ 3 Vorwort Der Kampf um die Interpretationshoheit der NS-Vergangenheit wird in Lüneburg wie anderswo geführt. Dies geschieht nicht lediglich zur „Aufarbeitung“ und Erinnerung an das Nazi-Regime, sondern auch mit Blick auf die politische Gegenwart und Zukunft unter einer Prämisse, die bereits den damaligen Berater des Bundeskanzlers Helmut Kohl, Professor Michael Stürmer, zu seiner bekannten Aussage verleitete, dass vorrangig derjenige „die Zukunft gewinnt, wer die Erinnerung füllt, die Begriffe prägt und die Vergangenheit deutet.“ Während in Lüneburg in den letzten Jahr- zehnten sehr, sehr mühsam und allen Wider- ständen zum Trotz wenigstens teilweise an die Nazi-Opfer erinnert werden konnte (z. B. über die Stolpersteine und die Gedenkstätte Psychiatrie), blieben die NS-Täter, sofern es sich nicht um die oberste NSDAP-Partei- garnitur handelte, außerhalb des kritischen Diskurses, ihre Taten unbeanstandet. Im Gegenteil: Die spezifisch kleinstädtische Struktur des Ortes mit ihren Macht- und Einflussorganisationen des Bürgertums vermochte u.a. durchzusetzen, dass bestimmten NS-Tätern aus dem lokalen Umfeld (selbst posthum noch) ehrende Würdigungen zuteil wurden, wie dem vom 1917 bis 1945 hier residierenden Landrat Albrecht durch die Benennung einer Straße mit seinem Namen. Die gegenwärtige Diskussion um diesen Straßennamen ist deshalb so schwierig, weil sie auf zwei Aspekte trifft, die eine Unvoreingenommenheit verhindern: Eine kritische Auseinandersetzung mit der Tätigkeit eines Landrates als Behördenleiter und Chef der Gendarmerie in seinem Landkreis ( selbst unabhängig von der Person des Wilhelm Albrecht) muss notwendigerweise seine Position im Geflecht des NS-Machtapparats in den Blick nehmen, Strukturen und weitere Täterschaften benennen. Eine kritische Würdigung der Tatsache, dass im Jahre 1964 eine Mehrheit im Rat der Stadt Lüneburg es als wichtig erachtete, posthum „ihren“ NS-Landrat zu ehren, muss notwendigerweise ein „Fortwirken des Faschismus in der Demokratie“ (Bloch) problematisieren und die Frage stellen, welche Instanzen und Personen dieses Fortwirken forcierten und mit welchem Interessen dieses geschah. Beide Problemfelder berühren in ihren Auswirkungen die gegenwärtige und zukünftige Politik. Selbst knapp ein halbes Jahrhundert nach dem o.g. Ratsbeschluss gelingt es der Lüneburger Stadtverwaltung und -politik nicht, einen souveränen Umgang mit der eigenen Nazivergangenheit und der (Um-)Benennung von Straßennamen nach nationalsozialis- tischen Tätern zu zeigen. Als Positivbeispiel soll die benachbarte Stadt Celle benannt werden, die sich ebenfalls mit diesem Problem für ihre Stadt befasste und eine Überprüfung der Straßennamen nach den Regeln demokratischer Beteiligungsansprüche organisierte. Dort wurde mit dieser Aufgabe ein unabhängiger Historiker beauftragt, seine Rechercheergebnisse wurden ins Netz gestellt und eine breite, kontroverse und interessante Diskussion konnte beginnen. In Lüneburg aber konnte sich der Rat der Stadt zu einer offenen Debatte nicht durchringen: Als der politische Ruf nach einer Überprüfung der Lüneburger Straßennamen hinsichtlich ihrer faschistischen und kolonialen Vergangenheit von der Politik nicht mehr weiter ignoriert werden konnte (im Fokus stand seinerzeit die nach Carl Peters benannte Straße), sollte dieses Problem lediglich behördenintern gelöst werden. Der Kultur- und Partnerschaftsausschuss des Rates beschloss auf seiner Sitzung vom 1.3.2006: „Das Stadtarchiv (Archivdirektorin Frau Dr. Reinhardt) wird beauftragt, im Zusammenwirken mit der Universität Lüneburg eine Überprüfung aller Straßennamen … vorzunehmen und dem Rat ein Ergebnis mit entsprechenden Empfehlungen vorzulegen.“ Das Ergebnis der internen Lüneburger Recherche durch die Archivdirektorin trug Stadtrat Peter Koch über zwei Jahre später dem o. g. Ausschuss am 17.4.2008 vor: Die Landrat-Albrecht-Straße wurde als nicht- problematisch klassifiziert. Es wurde der Eindruck vermittelt, eine Umbenennungs- diskussion über diesen Straßennamen sei nicht notwendig. Zu diesem Zeitpunkt allerdings lag dem Stadtarchiv bereits fast ein halbes Jahr eine angefragte Stellungnahme des em. Professors Stegmann der Universität vor, der in Bezug auf die Landrat-Albrecht-Straße zur gegenteiligen Empfehlung kam. Sein Expertisen- Resümee: „Ich halte die Beibehaltung der Straßenbenennung nach A. für politisch äußerst problematisch und deshalb nicht für angemessen.“

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